Test: Hoka One One Clifton

Hoka One One Clifton
Als ich zum ersten Mal die Laufschuhe von Hoka One One sah, musste ich spontan an die Buffalo Plateauschuhe aus den Neunzigern denken. Die fand ich damals extrem hässlich und ich hatte auch nie welche. Bei den Hokas war ich ehrlich gesagt auch überzeugt, dass ich diese Schuhe niemals anziehen würde. Doch als ich gefragt wurde, ob ich an einem Test interessiert wäre, sagte ich spontan ja. Ich hatte schon viel Positives über die Hokas gehört, sodass ich mir selbst ein Bild davon machen wollte. Als Testmodell bekam ich den relativ flachen Clifton.

Design
Wie schon erwähnt, finde ich die dicken Zwischensohlen nicht sonderlich schön. Bei meinem Modell ist diese jedoch eingefärbt (statt weiß), wodurch sie nicht ganz so dick aussieht. Die Farbe an sich ist ein grelles Gelb mit einem leichten Grünstich. Der Clifton fällt also auch farblich auf. Wenn schon, denn schon. Insgesamt ist die dicke Sohle gut kaschiert.

Passform
Dem Schuh ist eine zusätzliche, flache Ortholite-Einlegesohle beigefügt, die man gegen die übliche, geformte Einlegesohle tauschen kann. Da der Clifton etwas groß / weit ausfällt, kann man beide Sohlen auch kombinieren (die Ortholite sinnvollerweise unten). Dennoch muss ich im Mittelfußbereich eng schnüren, um ausreichend Halt zu haben. Die Zehen haben viel Bewegungsfreiheit. Bei einem Ultraschuh mag das zwar ok sein, für einen schnellen Straßenschuh wünsche ich mir jedoch eine engere Passform. Die Zunge ist für meinen Geschmack etwas zu kurz und zudem ungepolstert. Letzteres wäre an sich nicht schlimm, wenn der Schuh nicht eh schon weit geschnitten wäre. Hinzu kommt, dass die Fixierungslasche der Zunge durch die Schnürsenkel zu weit oben ist, wodurch sich der Schuh schlecht binden lässt.

Dämpfung / Dynamik
Nun kommen wir zur Paradedisziplin des Clifton. Die Dämpfung. Viele schwärmen davon, vor allem Ultra-Läufer. Ursprünglich kommen die Hokas jedoch aus dem Trail-Segment. Der Clifton ist dagegen für schnelle Läufe auf der Straße gedacht. Monster-Dämpfung (Zwischensohle ist 2,5-mal so dick als normal) und Tempo, geht das? Ja, tatsächlich. Die Dämpfung ist butterweich, aber die geringe Sprengung (5mm) und die “Meta-Rocker-Geometrie” (gebogene Sohlenform, welche die Abrollbewegung über den Vorfuß unterstützt) macht den Schuh dennoch dynamisch. Auf hartem Asphalt fühlt es sich an, als würde man auf federndem Waldboden dahingleiten. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Anfangs dachte ich, damit könnte ich nur langsam laufen. Doch schon nach dem ersten Lauf stellte ich fest, dass man damit auch schnell unterwegs sein kann. In meinem Fall ganz unbewusst. Die geringe Sprengung und der nicht zu weiche Vorfußbereich spielen neben dem geringen Gewicht dabei eine bedeutende Rolle. Doch sobald ich in einem Tempobereich unter 5:00 min/km laufe, geht mir dann doch zu viel Energie verloren und ich tauche zu sehr in die Sohle ein.

Stabilität
Etwas Sorgen machte mir die dicke Sohle auch bzgl. der Stabilität. Da ich leicht proniere, hatte ich Angst, dass die weiche Dämpfung und der hohe Sohlenaufbau (24mm vorne, 29mm hinten) nicht genug Halt bieten. Doch dem ist nicht so. Selbst bei hohem Tempo hatte ich nie ein schwammiges Gefühl. Liegt vielleicht auch daran, dass die Sohle recht breit ist. Dennoch bin ich bei Kurven weiterhin etwas vorsichtig.

Sohle / Grip
Auffällig ist, dass abriebfestes Gummi (schwarz) nur an bestimmten Bereichen im Vorfuß und in der Ferse verarbeitet ist. Der Rest ist sehr weich und nutzt sich schnell ab. Vor allem am großen Zeh. Keine Ahnung, wieso dieser Bereich ausgespart wurde. Die Sohle an sich ist für die Straße ausgelegt. Dort bietet sie einen guten Grip. Abseits der Straße würde ich damit ungern laufen, da ich aufgrund der hohen Mittelsohle ein Wegrutschen und ein daraus eventuell resultierendes Umknicken unbedingt vermeiden möchte.

Gewicht
Wenn man den Clifton sieht, würde man nie glauben, dass er ein echtes Leichtgewicht ist. Trotz extrem dicker Mittelsohle wiegt er mit 311 Gramm bei Größe US 14 erstaunlich wenig. Man kann bzw. muss sogar von einem Lightweight-Schuh sprechen. Er ist somit deutlich leichter als z.B. ein Brooks Racer ST 5 (321 Gramm) oder ein Adidas Energy Boost (341 Gramm). Dies sorgt natürlich dafür, dass man mit ihm nicht nur schnell laufen kann, sondern auch angenehm lang.

Preis
Die Hokas befinden sich allgemein im oberen Preissegment. Der Clifton ist mit einer UVP von 120 EUR dagegen relativ günstig. Das zahlt man für einen normalen Laufschuh auch, aber normal ist der Clifton nunmal nicht. Vergleichbare Schuhe werden sich kaum finden. Somit ist der Preis schwer zu beurteilen.

Fazit
Der Hoka One One Clifton hat mich extrem überrascht. Die super komfortable Dämpfung hatte ich ja vermutet, doch dass der Schuh dabei dennoch so extrem leicht ist, hätte ich nicht für möglich gehalten. An das neue Laufgefühl muss man sich erst gewöhnen, doch dann macht der Clifton richtig Spaß. Zweifel habe ich trotzdem, ob diese extreme Dämpfung auf Dauer gut für die Muskulatur und Sehnen ist. Sicher schont sie die Gelenke, aber vielleicht auch zu sehr den Rest? Für mich ist der Clifton ein Schuh, den ich gerne gelegentlich für langsame Läufe einsetze. Das widerspricht zwar seinem gedachten Einsatzgebiet, aber da fühle ich mich mit ihm wohl. Für schnelle Läufe möchte ich mehr den Boden spüren und mir auch in Kurven keine Gedanken machen müssen. Aber das ist eine individuelle Sache. Der Clifton ist auf jeden Fall eine positive Überraschung und ein Anprobieren kann ich jedem empfehlen. Das Laufgefühl ist wirklich sehr außergewöhnlich. Aber permanent nichts für mich.
PS: Beim diesjährigen Ironman Hawaii liefen 11,6% der Athleten mit einem Schuh von Hoka One One. Das ist der dritte Platz in der Schuhrangliste. Hätte ich nicht gedacht.

Nachtrag
Ich habe den Schuh mittlerweile schon seit fast vier Jahren und inzwischen ist er zu einem meiner Lieblinge geworden. Ich habe mich an das etwas andere Laufgefühl gewöhnt und trage ihn sehr sehr gerne. Und zwar sowohl bei langsamen, als auch bei schnelleren Einheiten. Letztens sogar bei einem Halbmarathon mit 500 Höhenmetern. Da war der Schuh die perfekte Wahl. Bergauf sehr leicht, bergab super dämpfend. Und die Passform ist gerade auf längeren Distanzen doch besser, als ursprünglich gedacht. Aufgrund dieser Erfahrungen habe ich meine Bewertung etwas angepasst. Dämpfung / Dynamik von 8,5 auf 9,5 und Passform von 6,5 auf 7,5 aufgewertet.

Weitere Testberichte
Pushing Limits
Harlerunner
und vom Nachfolgermodell hier
Runomatic
Laufkater
Harlerunner

Dieses Produkt wurde mir vom Hersteller zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Der Testbericht wurde von mir verfasst und gibt meine persönliche und unabhängige Meinung wieder. Auf den Inhalt und das Testurteil hat der Hersteller keinerlei Einfluss.

Hoka One One Clifton

8.5

Design

8.0/10

Passform

7.5/10

Dämpfung / Dynamik

9.5/10

Sohle / Grip

8.5/10

Gewicht

9.5/10

Preis

8.0/10

Pro

  • geringes Gewicht
  • geringe Sprengung
  • Dämpfung

Contra

  • Passform
  • Zungenfixierung

3 Kommentare zu “Test: Hoka One One Clifton

  1. Thomas (HarleRunner)

    Hi Christian,

    ich war zuerst etwas verwirrt, weil Du zwei Einlegesohlen im Karton hattest. Aber bei der ersten Version war das natürlich noch so. Kommt man an die wirklich noch ran?

    Danke übrigens für die Verlinkung. Mittlerweile habe ich ja auch die neue Version getestet (http://harlerunner.de/hoka-one-one-clifton-2-im-test/) und finde, dass sich die Schuhe vom Feeling her doch unterscheiden. Mir gefiel die erste Version ein klein wenig besser, obwohl die Verbesserungen im 2er wie die gepolsterte Zunge schon ganz nett sind.

    Herzliche Grüße

    Thomas

  2. Patrick Salm

    Guter Bericht Christian. Der Vergleich mit den Buffalos war ja auch bei mir der erste Gedanke bei den Hokas, auch wenn ich Besitzer gleich mehrerer Buffalo Modelle bin und meine Frau sogar einige 12cm Exemplare besitzt. Der Clifton scheint die gleiche Passform zu haben wie auch der Mafate Speed, den muss ich auch mit 2 Einlagen tragen und fest zu schnüren. Der Speedgoat z.B. ist etwas enger und besonders die Zehenbox ist kleiner. Bei der Pace ist es bei mir das Gleiche, für Geschwindigkeiten schneller als 05:00min/km ist glaube ich die MetaRocker Technologie mit der langen Abrollphase nicht geeignet, hier setzt der Speedgoat dann an, mit dem problemlos auch Sprinteinheiten möglich sind.
    Deine Bedenken in Puncto Trail sind unbegründet, bisher bin ich noch kein einziges Mal umgeknickt oder ähnliches und die meisten Hoka Modelle werden ja schließlich auch auf techn. Trails gelaufen.
    VG Patrick

  3. Martin

    Dein Test deckt sich in zwei elementaren Punkten mit meinem bzw. meinen Erfahrungen. Einmal die Sorge um die Muskeln und zum anderen der von dir beschriebene Energieverlust bei schnelleren Läufen.

    Ich glaub so richtig gut machen sich die Hokas bei Ultratrails, Der Speedgoat scheint bei vielen Läufern erste Wahl zu sein.

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